„Darüber spricht man nicht!“ Das versuchen uns in der Kindheit erst Mama oder Oma einzutrichtern. Später dann sind es vermeintliche Benimmkurse, irgendwelche Feld und Wiesen-Ratgeber oder – bei den einsamen Herzen unter uns – mehr oder minder fähige Flirtcoaches, die einem versuchen, dies weis zu machen.

Und auch schon der legendäre, chinesische Philosoph Laotse war der Meinung: „Was man hat, darüber spricht man nicht. Worüber man spricht, das hat man nicht“. Bedeuten kann das so manches – zum Beispiel: Hast du Kohle bis der Arzt kommt, dann redest du nicht drüber, weil es dir egal ist. Denn reich zu sein ist für dich nichts besonders. Vielleicht schweigst dich aber auch darüber aus, weil du Angst hast vor Neidern oder davor, dass dich einer beklaut. Oder aber du hältst die Klappe, weil man dir erzählt hat, es sei arrogant über das zu sprechen, was man hat.

Im Guardian konnte man dazu Anfang letzten Jahres lesen, dass sich sterbende Menschen wünschen, sie hätten sich in ihrem Leben selbst mehr zugestanden, glücklicher zu sein und ihre Gefühle auszudrücken. Andere wiederum wünschen sich, nicht so hart gearbeitet und stattdessen ein Leben geführt zu haben, das mehr den eigenen, als den Vorstellungen anderer entsprochen hätte. Hast du’s dagegen nicht so besonders dicke, sprichst du womöglich des Öfteren über das, was dir fehlt oder was du dir wünschst. Mit Materiellem muss das allerdings beileibe nicht immer zu tun haben. Nehmen wir mal die Wünsche derer, die fürs Wünschen eigentlich gar keine Zeit mehr haben, weil ihre Zeit abgelaufen ist und sie deshalb nur noch einen – den berühmten letzten Wunsch – haben.

Es gibt aber auch Menschen, deren letzte Wünsche sind deutlich weniger tiefsinnig. Ob es nun das Ansinnen ist, mit einer Gummipuppe bestattet zu werden, um im Sarg die gesamte Zeit nicht so ganz alleine rumliegen zu müssen oder der Wille, die letzte Reise als Futter für die Haie im Meer oder für die Schnecken im heimischen Garten anzutreten – Wünsche sind elementar für unser Leben; mag es gerade erst angefangen haben, bereits in vollem Gange sein – oder eben kurz vor seinem Ende stehen.

Tja, und wenn dem so ist, dann ist doch die Frage: warum gibt es diesen Spruch „Darüber spricht man nicht!“?!?>

„Was man hat, darüber spricht man nicht. Worüber man spricht, das hat man nicht.“ Meines Erachtens beißt sich bei dieser Laotse-Weisheit die Katze in ihren Philosophen-Schwanz. Hat man Wünsche, sollte man darüber sprechen und hat man keine, ist man entweder tot oder man lügt sich in die Tasche. Wobei allerdings eingeräumt werden muss, dass man das Wünschen auch verlernen kann und zwar zum Beispiel durch Lärm. Wenn dieser nämlich allzu präsent und mächtig ist, kann es sein, dass wir von ihm über Gebühr eingenommen werden und so den Kontakt zu uns selbst verlieren. Genau diese Verbindung aber ist nötig, um wirklich wünschen zu können. Und es kommt noch schlimmer. Der Verlust unserer Wünsche beeinträchtigt uns auch in unserer Liebe. Logisch! Wenn ich selbst nicht spüre bzw. weiß, wer ich bin oder was ich mir wünsche, weil ich’s vor lauter Lärm einfach nicht mitbekomme, dann klappt’s auch nicht mit dem zarten Pflänzchen der Liebe. Und Pflanzen reagieren ja bekanntermaßen sehr auf Schwingungen – seien sie nun akustischer oder weniger (be)greifbarer Natur.

Was verdient jemand, welche Partei wählt jemand, wie hält man’s mit der Religion, wie alt ist man wirklich und in welchen Momenten ist man ein echter Arsch – darüber sollte, darüber müsste man sogar sprechen; ganz egal, ob man sich eben erst kennenlernt oder nicht. Zum einen kommt man dann um diesen unsäglichen ‚Wie geht’s dir, mir geht’s gut, das Wetter ist ja ziemlich umgeschlagen-Smalltalk’ herum. Zum anderen, weiß man dann wenigstens woran man ist. Und: man kommt wieder ein bisschen mehr dem auf die Spur, was unser Leben wirklich ausmacht – unseren Wünschen nämlich.

Gut ist’s, einen Wunsch zu hegen

In der Brust geheimstem Schrein,

Mit dem Wahn, an ihm gelegen

Sei dein volles Glück allein.

Gut ist’s, dass der Himmel immer

Dir verschiebt die Wunschgewähr

Denn beglückt, du wärst es nimmer,

Und du hofftest es nicht mehr.

(Friedrich Rückert)