R. Drabek – wer sich hinter diesem Namen verbirgt, weiß im Internet eigentlich keiner so wirklich; dennoch gilt R. Drabek dem worldwideweb in schöner Regelmäßigkeit als Urheber eines Zitates, das da lautet: „Mathe ist wie Liebe: eine einfache Idee, aber sie kann kompliziert werden“.

Den Verfasser der Zeilen „Alles ist Kampf, Ringen. Nur der verdient die Liebe und das Leben, der täglich sie erobern muss“, kennt man hingegen umso besser. Es ist Johann Wolfgang von Goethe.

Und damit – meine sehr verehrten Damen und Herren – herzlich willkommen hier an der ehrwürdigen Herzoffensive-Akademie in Singlehausen, zur Vorlesungsreihe ‚Einführung in die Algebra der Liebe‘. Mein Name ist Dr. Dr. Schmidt, Dozentin für Eroberungen aller Art, womit wir auch schon beim Thema wären. Zum Auftakt unserer zweisemestrigen Veranstaltung soll heute nämlich das ‚Erobern‘ im Mittelpunkt stehen.

Aber lassen Sie mich zunächst kurz den Begriff der Algebra etwas näher beleuchten. Bei diesem Teilgebiet der Mathematik handelt es sich – schlicht ausgedrückt – um das Rechnen mit Unbekannten in Gleichungen, also etwa: x+1=2. Und das ist im Grunde genommen auch die Aufgabenstellung, der sich die meisten Singles gegenübersehen: Wie wird aus einer Unbekannten (x) und mir selbst (1) ein Paar (2)?!? Wie Sie sich vorstellen können, gestalten sich solche Gleichungen mit zwei Unbekannten oder mehr (x hat also zum Beispiel noch die Partner y und z) ungleich schwerer, weshalb wir uns derlei komplexen Aufgaben erst zu einem späteren Zeitpunkt widmen werden.

Zurück also zu der Frage „Wie wird aus einer Unbekannten (x) und mir selbst (1) ein Paar (2)“? In der Mathematik lautet die Antwort darauf für gewöhnlich: Man muss die Gleichung nach x auflösen. Und das bedeutet nichts anderes als, dass man dieses x in den Mittelpunkt diverser Fragen und Gedanken stellt, um so herauszufinden, was sich hinter x verbirgt. Nicht sehr viel anders verhält es sich in diesem Zusammenhang auch bei der Liebe bzw. bei einer ihrer Vorstufen – dem Date; mit dem Unterschied, dass es dabei nicht ausreicht, x nur zu finden, man muss x auch für sich begeistern, den Mann oder die Frau erobern.

Wobei das Erobern – glaubt man Studien zum Thema Flirtverhalten – trotz Emanzipation und all dem anderen neumodischen Geschlechter-Gleichmach-Schnickschnack – offenbar noch immer eher Männersache ist.

Verständlich! Die haben darin ja auch viel mehr Erfahrung! Amerika, der Südpol, der Mond, der Vatikan, ja selbst die heimische Couch samstags abends um sechs – alles erobert von Männern.

Wer jetzt allerdings glaubt, eine Frau zu erobern sei ein Klacks und man könnte dabei womöglich ähnlich vorgehen, wie einst Wilhelm der Eroberer – der irrt. Als besagter Wilhelm nämlich von seiner Zukünftigen zunächst zu hören bekam, eine Ehe mit ihm – dem unehelich Geborenen – käme für sie – die Enkelin des französischen Königs – nicht in Frage, soll er die Dame unsanft an ihren Zöpfen vom Pferd gezerrt und auf den Boden befördert haben.

Weshalb Mathilda anschließend der Ehe dann doch noch zustimmte, ist nicht wirklich klar. Fest steht allerdings, seinen Beinamen ‚der Eroberer‘ hatte Wilhelm aufgrund dieser Aktion definitiv nicht.

Eine Frau erobern, das bedeutete in früheren Zeiten auf jeden Fall: viel Mühe und Arbeit. Da hieß es beispielsweise Gitarren- oder zumindest Gesangsunterricht nehmen, um der Angebeteten ein Ständchen zu fortgeschrittener Stunde unter deren Balkon darbieten zu können.

Und welch ein Zufall: in der einschlägigen Eroberungsliteratur, ebenso wie in vielen berühmten Theaterstücken, Opern, Musicals oder Filmen zum Thema ‚Erobern‘, wohnen die Damen, die es zu erobern gilt, denn auch so gut wie nie im Erdgeschoß. Und ist ausnahmsweise mal kein Balkon vorhanden, dann doch zumindest eine Balustrade, von der aus sich die zu Erobernde mitsamt ihrer wallenden Brust, dem sie Anschmachtenden sanft seufzend aus gebührender Entfernung entgegenrecken kann.

Meine Damen und Herren, als es noch vor Rittern und Drachentötern da draußen nur so wimmelte, hieß eine Frau erobern, auch ein Pferd haben. Und mit diesem musste der Eroberungswillige zumindest so gut reiten können, dass er – im Falle es ging um die Wurst – die Dame aus vollem Galopp galant auf seinen Sattel hochhieven konnte, um sie dann, mit nicht allzu vielen Blessuren zu Hause abzuliefern.

Keinesfalls sollte hierbei außer Acht gelassen werden: in Ermangelung entsprechender Navigationssysteme war zu jenen Zeiten für das Auffinden der Behausung, auch ein gewisser Orientierungssinn vonnöten; denn ständiges Nachfragen nach dem Weg und dümmliches Umherirren von Ross und Reiter galten selbst im Mittelalter als ex-trem uncool und waren einem erfolgreichen Erobern mehr als abträglich.

Vergleicht man all dies mit dem, was heutzutage als entscheidend gilt, um eine Frau zu erobern, ist allenthalben zu vernehmen: auf den Charakter kommt es an. Und da möchte ich vor allem Ihnen, meine Herren hier im Vorlesungssaal, zurufen: Sie haben wahnsinniges Glück!

Anders als beim Textilshopping oder beim Kauf eines Autos nämlich, achten Frauen bei der Wahl eines Mannes nicht so sehr auf Schnitt, Fashionfaktor oder Farbe. Beim Modell Mann gehen selbst noch die unmodernsten Exemplare über die Beziehungstheke – vorausgesetzt, die Single-Kundin fühlt sich zumindest einigermaßen vom optischen Erscheinungsbild (das zumindest gepflegt sein sollte) angesprochen.

Entscheidend beim Erobern einer Frau ist, ob der Charakter des Mannes zu dem der Dame passt. Wenn beide in vielen Punkten einen völlig unterschiedlichen Blick auf die Dinge des Lebens haben, wird es wohl nichts werden mit dem Erobern, selbst wenn Sie sich der vorhin beschriebenen Eroberungsmethoden bedienen sollten. Wobei Ihnen beispielsweise ein nächtliches Ständchen in der Reihenhaussiedlung, wahrscheinlich sowieso eher nur eine Anzeige wegen Ruhestörung, als das Herz der Angebeteten einbringen dürfte.

Verfügen Sie über ein noch so exquisites Kuss-Repertoire oder sind Sie Meister ausgefeiltester Betörungstechniken – das dauerhafte Erobern einer Dame wird all dies höchstwahrscheinlich nicht zur Folge haben, wenn es charakterlich einfach nicht passt.

Vielmehr liegt der entscheidende Schlüssel zur Frage „Wie erobere ich eine Frau?“ im Manne selbst. Eine Erkenntnis, die auch schon der Dichter und Dramatiker Christian Friedrich Hebbel im Jahre 1840 seinem Tagebuch anvertraute: „Lieben heißt: in dem anderen sich selbst erobern“.

In diesem Sinne: Erobern Sie sich selbst, indem Sie erkennen, wer Sie wirklich sind mit all Ihren Stärke und Schwächen – und dann erobert die Liebe auch Sie!

*Wilhelm der Eroberer lebte von ca. 1027-1087 und heiratete 1051