Zur Auftaktveranstaltung der diesjährigen Ringvorlesung ‚Beiträge zur Sprachkritik emotionalen Liedguts‘ heiße ich alle Vortragenden und natürlich auch die hier anwesenden Zuhörer, herzlich willkommen! Mein Name ist Dr. Dr. Schmidt.
Als Leiterin des Lehrstuhls für postfeministisch beeinflussten Sprachmurks, möchte ich den vor uns liegenden Vorlesungsreigen mit einer Ausarbeitung zu der Fragestellung eröffnen: ‚Das Frauenbild im deutschen Liebeslied – Lug, Trug oder doch einfach nur Schmu?!?‘.
Beginnen wir mit einer Dame namens Luisa. Über die weiß das ostfriesische Schlagerduo ‚Leuchtfeuer‘ in seinem Titel ‚Wenn die Sehnsucht erwacht‘ zu berichten, sie stünde regelmäßig zu später Stunde an einem nicht näher bestimmten Hafen und warte darauf, dass ihr ein Schiff den Freund wiederbrächte. Es ist davon auszugehen, dass die Beziehung dieser beiden Personen intensiverer Natur ist, denn zum einen wird behauptet:
Die Briefe von ihm helfen ihr durch die Nacht, sie hat immer nur an ihn gedacht.
Zum anderen soll sie (Luisa) bereits tausend Tränen in besagtem Hafen um ihn (den angeblich so schmerzlich Vermissten) geweint haben.
Neben der Annahme, dass das nächtliche Lesen von Briefen in einer schlecht beleuchteten Umgebung, wie der eines Hafens der Augengesundheit mit Sicherheit nicht sonderlich zuträglich sein dürfte, klingen tausend vergossene Tränen im ersten Moment recht üppig. Die Tatsache jedoch, dass ein Mensch in seinem Leben rund zwei Milliarden Tränen weint und die durchschnittliche Lebenserwartung einer mitteleuropäischen Frau bei etwa 80 Jahren liegt, lässt die Vermutung aufkommen: Luisas Tränenfluss dürfte schon nach dreieinhalb Tagen wieder versiegt sein, was nicht gerade auf eine überbordende Traurigkeit dieser Dame schließen lässt. Erfüllt Luisa demzufolge also wirklich das Bild der sich verzehrend Sehnenden – und: wird diese Frauenfigur dem Titel des Liedes ‚Wenn die Sehnsucht erwacht‘ – dann überhaupt gerecht?
Ganz ohne nähere namentliche Nennung der Besungenen kommt der 60er Jahre-Schlager ‚Meine Braut, die kann das besser‘ von Gerd Böttcher daher. Ein Ich-Erzähler berichtet darin:
Mädchen auf Tahiti, […] die tanzen gern Ballett, und besonders die Touristen, die finden das sehr nett.
Außerdem heißt es:
Die Mädchen dort auf Java, die singen fabelhaft, und sie treffen sogar die Töne, die kaum die Callas schafft.
Die Betonung, ja ich möchte sogar fast sagen, die Reduzierung des Weiblichen auf rein darbietende Elemente kulminiert bei diesem Paradebeispiel gesungenen Grauens in der schier absurden Behauptung:
Die Mädchen auf Samoa, ja, die küssen gern bei Nacht, ja, die Mädchen dort, die wissen, genau wie man das macht.
Bedenkt man, dass nahezu 90% aller Frauen mit geschlossenen Augen küssen und demzufolge in diesem Moment für sie ein durchaus – sagen wir mal – nachtähnlicher Zustand herrscht, erscheinen die so gepriesenen Kussleistungen der samoischen Damen schon in einem weit weniger spektakulären Licht.
Und wo bleibt die im Titel erwähnte Braut, mögen Sie sich vielleicht bereits fragen!?! Nun, diese taucht im Refrain des Liedes stets als jene auf, die all das Beschriebene besser kann. Eine Braut, die besser tanzen, singen und küssen kann als exotische Insulanerinnen in weiter Ferne. Eine wahrhaft große Leistung – ist man da geneigt zu sagen, gibt es doch gewiss noch weniger Gewichtiges, was Mann an Frau fasziniert und weshalb er ihr deshalb bisweilen den Status ‚Braut‘ verpasst.
Und tatsächlich: Die Existenzberechtigung weiblichen Daseins auf Geringeres als Tanzen, Singen und Küssen zu reduzieren – Schlagerbarde und konsequenter Seitenscheitelträger Roland Kaiser beweist: das ist möglich. In seinem Hit ‚Joana‘ wurde die Begehrte nämlich nur aus einem einzigen Grund geboren – um Liebe zu geben. Ausgestattet ist Joana mit
Augen, die zur Schüchternheit nicht taugen
und einem Lächeln, das uns als ein einziges Fordern und Flehen beschrieben wird. Die Tatsache nun, dass die Bedeutung des Namens Joana mit ‚die Gottbegnadete‘ beschrieben wird, stellt die Frage in den Raum: Was dächte wohl Gott über diese unsere Joana – und: würde er gar von höchster Stelle wettern: „Alles Lug, Trug und Schmu – hier wird doch keiner geboren, nur um Liebe zu geben!“?
Damit schließe ich für heute meine Ausführungen und gebe nun an meinen Kollegen vom Institut für linguistische Form- und Farbgestaltung, der sich im Anschluss mit der Frage beschäftigt, weshalb es im deutschen Liebesliedgut, vor schwarzen Barbaras, schwarzen Nataschas und ebenso schwarzen Rosemaries geradezu wimmelt, sich ein Hauch von Farbe – in Verbindung mit dem weiblichen Vornamen – aber nur gerade mal in Ansätzen bei ROSAmunde wiederfindet.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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1 Antworten auf den Beitrag
Institut für linguistische Form- und Farbgestaltung meldet diese (nicht vollständige) Liste von Frauennamen, die eine Farbe bedeuten:
Jade, Iris, Saphira, Altin, Coraline, Dalja, Jenna, Fiona, Kiera, Melanie, Midori, Rufina, Shani, Viola, Violet, Yuki, Ruby, Esmeralda, Blanche, Blanca, Rosa, Violet, Scarlet
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